Guten Tag, ich heiße Elma Wong und bin Anästhesistin von Beruf. Mit Ärzte ohne Grenzen habe ich bereits vier Einsätze im Jemen absolviert.
Ich habe in einem mobilen Krankenhaus in der Nähe von Mokka gearbeitet, einer Region, die stark unter den Kämpfen gelitten hat.
Das dortige Gesundheitssystem ist völlig zum Erliegen gekommen. Die traurige Wahrheit ist leider, dass die Jemeniten ihrem Schicksal überlassen wären, wenn wir nicht da wären.
Es ist Menschen wie Ihnen zu verdanken, dass wir den Jemeniten eine lebenswichtige Versorgung zukommen lassen können.
DIE HINTERGRÜNDE
Seit März 2015 bekämpfen Anhänger von Präsident Hadi mit Unterstützung einer saudisch-emiratischen Koalition die regierungsfeindliche militärische Bewegung Ansar Allah. Folge davon sind Bombardements, Schießereien und landesweite Zerstörung. Die Zivilbevölkerung hat am stärksten unter dem Konflikt zu leiden.
Viele Krankenhäuser sind zerstört worden und denen, die noch in Betrieb sind, fehlt es eklatant an medizinischer Ausrüstung. Die Jemeniten können sich aufgrund von Arbeitslosigkeit und Preiserhöhungen weder ausreichend Nahrung noch Treibstoff leisten.
Diese Voraussetzungen zusammen mit den Bombardements und Raketenangriffen haben diesen Konflikt zu einer der schlimmsten humanitären Krisen weltweit gemacht.
Momentan arbeiten die Teams von Ärzte ohne Grenzen in zwölf über das ganze Land verstreuten Krankenhäusern und unterstützen über zwanzig Gesundheitszentren.
Seit dem Ausbruch des Konflikts im Jahr 2015 haben unsere Teams über 90.000 Menschen mit kriegsbedingten Verletzungen versorgt sowie über 110.000 Menschen mit Cholera und mehr als 14.000 Menschen mit Unterernährung behandelt.
MINEN MIT VERHEERENDEM SCHADENSAUSMASS
In Mokka, an der Südwestküste, ist eine tragisch hohe Opferzahl durch Antipersonenminen zu beklagen.
Diese Region ist geradezu mit Minen übersät. Die verletzten Menschen, die zu uns ins Krankenhaus in Mokka kommen, gehören zur Zivilbevölkerung: Kinder, die draußen spielten, Bauern, die gerade ihr Vieh weiden ließen, Familien, die auf dem Markt waren – allen ist jedoch gemein, dass sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren und eine Explosion auslösten.
Diese Minen richten einen enormen Schaden an. Sie sind unberechenbar mit verheerender Wirkung. Wenn man solch eine Minenexplosion überlebt, muss es einem erst einmal gelingen, ein Krankenhaus aufzusuchen, um behandelt zu werden.
Jedes Mal, wenn ich in den Jemen zurückkehre, ist die Lage noch schlimmer als zuvor. Die durch Verletzungen verursachten Traumata, sei es durch Feuerwaffen, Minen oder Bombardements, sitzen tief.
Dr. Elma Wong
Manchen Menschen werden durch die Explosion beide Beine abgetrennt. In den meisten Fällen kommen diese Patienten in einem kritischen Zustand ins Krankenhaus, da sie neben den Gliedmaßen auch eine sehr große Menge Blut verloren haben.
Durch den Explosionsdruck können große Hautflächen zerstört werden, was mit immensen Schmerzen und einem schwierigen Behandlungsprozess verbunden ist. Die Bevölkerung ist einer unsäglichen und besonders ungerechten Gewalt ausgesetzt.
AMARAHS GESCHICHTE
Eine unserer Patientinnen ist ein kleines, 8-jähriges Mädchen namens Amarah. Sie spielte gerade draußen mit vier Freunden, als sie auf eine Mine trat. Einer ihrer Freunde starb bei der Explosion. Amarah wurde in einem kritischen Zustand ins Krankenhaus eingeliefert.
Die traurige und schockierende Wahrheit ist leider, dass die Jemeniten praktisch keinerlei Zugang zu medizinischer Versorgung hätten, wenn wir nicht da wären.
Dr. Elma Wong
Die Explosion führte zu Knochenbrüchen und auch das umliegende Gewebe war betroffen. Sie hatte außerdem weitere Verletzungen durch Granatsplitter im Unterleib. Wir führten eine Notfalloperation durch, und in den Wochen danach musste Amarah aufgrund einer Infektion noch acht- bis zehnmal zurück in den OP. Ohne diese Eingriffe wären ihre Verletzungen niemals verheilt.
Ihre schwere Unterernährung war der Heilung auch alles andere als förderlich. Unterernährung gehört zu den weiteren Problemen, die wir feststellen mussten: Die meisten Menschen haben nicht genug zu essen und die Kinder sind ebenfalls stark durch Unterernährung gefährdet.
Amarahs Leben zu retten war nicht einfach. Wir mussten sie operieren und hatten mit den Komplikationen aufgrund von Unterernährung zu kämpfen. Doch wir haben sie nicht aufgegeben.
Sie war extrem schwach und erschöpft, doch unsere Physiotherapeutin kümmerte sich jeden Tag aufopferungsvoll um sie, sodass sie wieder zu Kräften kam. Allmählich kam auch ihr Appetit zurück. Ihr Zustand verbesserte sich und sie machte ebenfalls Fortschritte in der Physiotherapie. Ihre Wunden verheilten schnell.
Am meisten war ich davon ergriffen, wie sie mit der Zeit immer weniger Angst hatte. Im OP hielt sie unsere Hand und bat uns, nicht wegzugehen. Es war herzzerreißend.
Die Heilung und die Gewichtszunahme verliefen positiv; nach sechs Wochen konnte sie mit ihrer Oma nach Hause.
DARUM BENÖTIGEN WIR IHRE HILFE
Ich verspüre ein Pflichtgefühl, in den Jemen zurückzukehren. Ich versuche mein Bestes zu geben, um der Katastrophe zu begegnen. Ich kann nicht einfach die Hände in den Schoß legen.
Doch jedes Mal, wenn ich in den Jemen zurückkehre, ist die Lage noch schlimmer als zuvor. Die durch Verletzungen verursachten Traumata, sei es durch Feuerwaffen, Minen oder Bombardements, sitzen tief. Noch hinzu kommt, dass das Gesundheitssystem vollkommen am Boden liegt.
Aus diesem Grund ist die Arbeit von MSF im Jemen von solch großer Bedeutung. Durch den Einsatz von MSF kann die mangelhafte Versorgung ausgeglichen werden. Es können Operationen durchgeführt, Ernährungsprogramme für unterernährte Kinder eingesetzt und Infektionskrankheiten bekämpft werden.
Ohne die Unterstützung der Spender könnten wir die Menschen vor Ort nicht medizinisch versorgen.
Dr. Elma Wong
Wir können nur angemessen auf die Situationen reagieren und schnell Zelte oder Krankenhäuser einrichten, wenn wir auch die nötigen Mittel zur Verfügung haben.
Was wir leisten, rettet Leben. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was aus unseren Patienten würde, wenn wir nicht dort wären.