Es war dein erster Einsatz mit MSF. Wie hast du dich dafür entschieden?
Lange schon, wollte ich an einem humanitären Feldeinsatz teilnehmen, aber ich fühlte mich dazu noch nicht bereit. Die Situationen, mit denen manr konfrontiert wird, sind manchmal schwierig oder gar erschütternd. Ich dachte, dass es richtig sei, zuerst die notwendige berufliche Erfahrung als Gynäkologin zu sammeln.
Nach meinem Studium und fast zwei Jahren Praxis, habe ich einer Konferenz beigewohnt, die von einer „Expat“ über ihre Mission in Afghanistan gehalten wurde. Ich wusste, der Moment war gekommen. Ich habe mit meinem Vorgesetzen gesprochen, der mich für einen Monat freigestellt hat.
So bin ich nach Aweil im Südsudan gekommen, wo die Temperaturen 50 Grad im Frühjahr erreichen können!
Worin bestand deine Arbeit im Südsudan?
In Aweil unterstützt MSF die Geburtsklinik und die Kinderabteilung des Krankenhauses. Ich war die einzige Gynäkologin des Projektes und eng in ein grosses Team aus lokalen Pflegern und Expats aus der ganzen Welt eingebunden.
Aweil ist die einzige Geburtsklinik der ganzen Region mit circa 6000 Entbindungen pro Jahr. Ich war « auf Abruf » und habe um die Uhr gearbeitet. Ich habe Notfälle mit den bescheidenen medizinischen Mitteln, die zur Verfügung standen, behandelt. Es mangelte ständig an Blutreserven und das Ausbildungsniveau der Pfleger war sehr unterschiedlich.
Neben Untersuchungen und chirurgischen Eingriffen, habe ich an der Weiterbildung der Kollegen mitgewirkt.
Während meines Einsatzes habe ich viel über die anderen gelernt und auch über mich selbst.
Juliette Fievez, Gynäkologin
Eine Patientin hat mich sehr berührt : Es war eine junge Mutter mit einem Abzess an der Brust. Sie erzählte mir, dass sie den Flussarm, der sie von der Klinik trennte, schwimmend überquert hatte! Es gibt wenige Transportmöglichkeiten und die Wege sind oft nur Pisten.
Da es wichtig war, dass sie sofort nach ihrem Eingriff wieder stillen konnte, hat die Familie ein Ruderboot organisiert, um das Baby aus dem Dorf zu holen.
Was hat dich während deines Einsatzes besonders geprägt?
Für mich war es eine sehr bereichernde Erfahrung, sowohl aus beruflicher wie auch aus menschlicher Sicht. Es gab schwierige Momente, wie am Weihnachtstag, als eine 17jährige Patientin mi Sepsis ins Krankenhaus kam. Sie hatte Fieber, gelbe Augen und war erschöpft. Wir dachten, dass wir sie verlieren würden.
Drei Tage lang haben wir abwechselnd stündlich ihre Vitalparameter überprüft. Die Familie war ständig bei ihr und das gesamte medizinische Team hat sie gepflegt: Krankenpfleger, Anästhesist, Physiotherapeut… Langsam besserte sich ihr Zustand, und die Öderne bildeten sich zurück. Wir waren alle sehr stolz!
Das Wohlwollen meiner Kollegen sowie diese « kleinen Siege», haben mich täglich motiviert. Während meines Einsatzes habe ich viel über die anderen gelernt… und auch über mich selbst.
In Südsudan muss die Zivilbevölkerung den Preis für über fünf Jahre Konflikt zahlen. Man geht davon aus, dass fast die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hat. Die Teams von Médecins Sans Frontières betreuen 16 Projekte im ganzen Land und leisten primäre Gesundheitsversorgung.