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An Aquarius search and rescue mission on 1 November 2017. The team retrieved more than 500 people from three overloaded rubber boats in distress that day, but an unknown number remained missing, presumed drowned. © Maud Veith/SOS Méditerranée

Libyen, Mittelmeer

Migrationen im Mittelmeerraum

Eine Aquarius Such- und Rettungsmission am 1. November 2017. Das Team rettete an diesem Tag mehr als 500 Menschen aus drei überladenen Gummibooten in Not, aber eine unbekannte Zahl blieb vermisst, vermutlich ertrunken. © Maud Veith/SOS Méditerranée
Fokus 

    2019 stirbt eine von 11 Personen, die Europa über das Mittelmeer erreichen will.

    Die überwiegende Mehrheit der Menschen, die die Mittelmeerüberquerung versuchen, reisen durch Libyen, wo sie schrecklichen Gewalttaten ausgesetzt sind, darunter Entführungen, Folter und Erpressung.

    Die inhaftierten Menschen in Tripolis sind in den anhaltenden Konflikt in der Stadt geraten. Einige Internierungslagern wurden bereits von Luftangriffen getroffen, die menschen können nicht entkommen und gehen täglich das Risiko ein getötet oder verletzt zu werden.

    Die europäischen Versuche, die Migration durch die Verstärkung der nationalen Grenzen und die Unterstützung von Haftanstalten außerhalb der Grenzen einzudämmen, drängen die Menschen in die Hände von Schmugglern, um sie über Checkpoints, über Grenzen, durch Zäune, aus den Gefängnissen und schließlich auf Schiffe über das Mittelmeer zu bringen.

    Für diejenigen, die es nach Europa schaffen, beginnen die Herausforderungen - und Gefahren - wieder an Land. Mangelnde Unterkünfte, Zwang zum Leben unter unhygienischen Bedingungen oder bei schlechtem Wetter, gefährliche Grenzübergänge, feindliche Behörden - unter diesen Umständen werden Menschen krank, verletzt oder kämpfen mit der Verschlechterung ihrer psychischen Gesundheit.

    Anstatt sich dem Teufelskreis zu stellen, den ihre eigene Politik schafft, haben sich die Politiker hinter unbegründeten Anschuldigungen gegenüber NGOs und Einzelpersonen versteckt, die versuchen, Menschen in Notlagen zu helfen.

    MSF und die Such- und Rettungsaktionen

    Seit Mai 2015 führen wir Such- und Rettungsoperationen mit Schiffen im zentralen Mittelmeer durch. Sieben Monate lang, zwischen Dezember 2018 und Juli 2019, hatten wir jedoch keine Such- und Rettungsaktionen durchführen können, als wir gezwungen waren, die Aktivitäten des Aquarius zu beenden, ein Schiff das wir in Partnerschaft mit SOS MEDITERRANEE betrieben haben. Im Juli 2019 kehrten wir dieses Mal mit dem Boot Ocean Viking zu den Such- und Rettungseinsätzen zurück, ebenfalls mit SOS MEDITERRANEE.

    Während unserer Such- und Rettungsaktionen wurde MSF von der Europa-finanzierten libyschen Küstenwache angeschossen und wiederholt beschuldigt Komplize mit Menschenhändlern zu sein.

    Doch während es im zentralen Mittelmeerraum derzeit nur sehr wenig engagierte Such- und Rettungsaktionen gibt, versuchen die Menschen immer noch, aus Libyen zu fliehen; über 34.000 Menschen haben 2018 die tödliche Überfahrt versucht, und fast 9.000 haben es in den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 versucht. [*]

    Bei dem Versuch der Überquerung starben 2018 über 1.100 Menschen; 2019 ertrinken die Menschen weiter.

    Wir haben beschlossen, im Juli 2019 auf See zurückzukehren, weil Suche und Rettung eine Pflicht ist, die durch die humanitäre Notwendigkeit verstärkt wird, Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren, während sie Sicherheit weit weg von Libyen suchen.

    Kriminalisierung lebensrettender Such- und Rettungsaktionen

    Im Jahr 2018 stießen unsere Such- und Rettungseinsätze in einem zunehmend feindlichen Umfeld und unter starkem politischem Druck auf immer größere Hindernisse. Im Juni lehnten die italienischen und maltesischen Behörden dem Aquarius den Zugang zu einem sicheren Hafen für das Aussteigen von 629 Personen die sich an Bord befanden ab; von diesem Zeitpunkt an wurden die italienischen Häfen für Such- und Rettungsschiffe von NROs effektiv geschlossen.

    Im August und im September wurde das Aquarius von den Behörden Gibraltars bzw. Panamas von seiner Flagge und Registrierung entlassen.

    Die feindlichen Angriffe gegen das Aquarius setzten sich im November fort, als die italienische Justiz die Beschlagnahmung von Aquarius wegen falscher Behauptungen über Misswirtschaft bei der Abfallentsorgung forderte. Ohne Flagge und Registrierung konnte das Aquarius seine lebensrettende Mission nicht fortsetzen und war im Dezember 2018 gezwungen, seine Such- und Rettungsaktionen einzustellen.

    Im Jahr 2019 hat sich die Situation - sowohl in Libyen als auch politisch in Europa - verschlechtert.

    Tripolis ist in einen Konflikt gestürzt, in dem die Internierungslagern von den Kämpfen umgeben waren und auch von Luftangriffen getroffen wurden. Die Menschen versuchen verzweifelt zu fliehen.

    In Europa haben sich die Schwierigkeiten bezüglich der Zukunft von geretteten Menschen fortgesetzt; innerhalb eines Jahres gab es 21 Pattsituationen, von denen über 2.600 gefährdete Männer, Frauen und Kinder betroffen waren.

    Nach der Ankündigung, dass wir mit dem Ocean Viking auf See zurückkehren würden, erklärte der italienische Innenminister, dass die italienischen Häfen für humanitäre Rettungsfahrzeuge geschlossen bleiben würden.

    Unsere Schiffe

    In den letzten vier Jahren haben wir sechs Schiffe betrieben oder waren Partner auf sechs Schiffen:

    • Phoenix, in Partnerschaft mit Migrant Offshore Aid Station (MOAS);
    • Dignity I;
    • Bourbon Argos;
    • Prudence;
    • Aquarius, in Partnerschaft SOS MEDITERRANEE; und
    • Ocean Viking, in Partnerschaft mit SOS MEDITERRANEE.


    Medizinische Versorgung

    Unsere medizinischen Teams an Bord behandeln gewaltbedingte Verletzungen, die sich aus der Zeit in Haft, durch Folter und anderen Misshandlungen, einschließlich sexueller Gewalt, ergeben.

    Frauen, insbesondere Schwangere Frauen, werden durch die Anwesenheit einer Hebamme intensiv betreut. Unsere Hebammen haben somit die Geburt mehrerer Babys an Bord unserer Boote unterstützt.

    Wir betreuen auch Menschen mit Hautkrankheiten, Dehydrierung, Unterkühlung, Krätze und schweren Verletzungen wie Verbrennungen durch Kraftstoffmischung mit Meerwasser während der Überfahrt. Psychologische Erste Hilfe wird von ausgebildeten Kulturvermittlern geleistet.

    Während dieser Konsultationen hören unsere Teams oft schreckliche Geschichten; viele der Menschen, die wir retten, sind Opfer von Folter und anderen Formen der Misshandlung.

    Im Jahr 2017 haben wir eine Internetseite in Englisch, Spanisch, Französisch und Italienisch gestartet, die sich mit unseren Such- und Rettungsaktionen befasst. Es bietet Antworten auf häufig gestellte Fragen und verfügt über eine interaktive Karte.

    Was macht MSF an Land?

    Einmal auf dem Festland, entdecken die in Europa ankommenden Menschen die gefährlichen Grenzübergänge, werden oft von Behörden schlecht behandelt und sind gezwungen, unter schrecklichen Bedingungen zu leben, meist im Freien - auch im Winter.

    In einem Migrantenlager in Italien sagte ein Viertel der Befragten einer Umfrage, dass es im Lager schlechte Hygienebedingungen gebe. In einer nahegelegenen Camp gab mehr als jeder Zehnte an, dass es an Trinkwasser mangele.

    Ich schlafe mit anderen Leuten unter der Brücke. Ich habe kein Geld und keine Möglichkeit, mit meiner Familie zu kommunizieren. Ich bin wirklich müde. Niemand kümmert sich um uns, niemand fragt mich, wie ich mich fühle oder wie ich lebe.
    Migrant der in der Roja Siedlung, in Norditalien lebt

    In Belgien, Bosnien-Herzegowina, Frankreich, Griechenland, Deutschland, Italien, Serbien und Schweden haben oder bieten noch immer unsere Teams eine Reihe von Dienstleistungen an, darunter medizinische und psychologische Unterstützung.

    Wir bieten auch Unterkünfte, Wasser, sanitäre Einrichtungen und lebenswichtige Hilfsgüter in Aufnahmezentren, informellen Siedlungen und Durchgangslagern.

    Unterstützungszentren

    Unsere Teams in Frankreich identifizieren junge Menschen, die in der Regel die Reise ohne Begleitung unternommen haben, und bieten ihnen Unterstützung durch den Zugang zu einem Tageszentrum für Minderjährige in Paris. Die Teams dort sorgen für Ruhepause, medizinische Versorgung und administrative Unterstützung.

    MSF betreibt auch spezialisierte Zentren für die Rehabilitation von Überlebenden von Folterungen in Athen, von denen die meisten auf der Suche nach Sicherheit und Schutz in Europa über die Meere kamen.

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