Fast alle Provinzen der Zentralafrikanischen Republik werden von einer oder mehreren bewaffneten Gruppen kontrolliert, von denen es in diesem kleinen Land in der Mitte Afrikas immer mehr gibt. Laut einem 2017 veröffentlichten Bericht (Splintered Warfare) gibt es heute – im Vergleich zum Jahr 2013 mit vier bis fünf großen bewaffneten Gruppen – mehr als 14 identifizierte bewaffnete Gruppen und eine Vielzahl neu gegründeter Zusammenschlüsse zur Selbstverteidigung. Im Laufe des vergangenen Jahres litt die zentralafrikanische Bevölkerung an einem Ausmaß von Gewalt, das an die schlimmsten Monate des Konflikts der Jahre 2013 und 2014 erinnerte, als angesichts des dritten zentralafrikanischen Bürgerkriegs die Entsendung von Blauhelmen beschleunigt wurde, um den Massakern zwischen den Krieg führenden Parteien ein Ende zu setzen. In manchen Gebieten macht der Konflikt den Zugang für die humanitären Helfer komplett unmöglich, da sie bei dem Versuch, in diese Gebiete zu gelangen, extremen Gefahren für ihre Sicherheit ausgesetzt wären.
Es ist die Zivilbevölkerung, die den höchsten Preis in diesem Konflikt zahlt. Einer von fünf Menschen in diesem Land mit 4,5 Millionen Einwohnern musste seit dem Beginn der Krise im Jahr 2013 aufgrund der Gewalt sein Zuhause verlassen: 688 000 Menschen sind innerhalb des Landes vertrieben worden und 540 000 leben als Flüchtlinge in den Nachbarländern. Das sind mehr 1,2 Millionen Männer, Frauen und Kinder, die gezwungen sind, weit weg von ihrem Zuhause zu leben.
Der Bedarf an humanitärer Versorgung wächst unaufhörlich, beispielsweise beim Zugang zu Nahrung, Wasser, Unterkünften und Bildung. Tausende Menschen haben keinen Zugang zu medizinischer Hilfe und für viele von ihnen besteht die Gefahr, an vermeidbaren Krankheiten wie Malaria, Durchfall und Atemwegsinfektionen zu sterben, den drei Haupttodesursachen bei Kindern unter fünf Jahren im Land. Hinsichtlich der Impfrate bei Kindern ist der Anteil geimpfter Kinder innerhalb von zwei Jahren von 66 % auf 55 % gesunken; bei der Verteilung der antiretroviralen Medikamente ist die Zahl der versorgten seropositiven Menschen von 74 % auf 20 % zurückgegangen; und die Diagnose von Tuberkulose ist von 60 % auf 26 % abgefallen. Angesichts dieser Bedingungen befindet sich die Bevölkerung in einer extrem verletzlichen Lage.
Mit fünfzehn Projekten, die auf alle Konfliktgebiete verteilt sind, wird Ärzte ohne Grenzen unmittelbar Zeuge der besorgniserregenden Entwicklung der Zentralafrikanischen Republik. Das Land ist für humanitäre Helfer eines der gefährlichsten geworden: 2017 wurden 15 von ihnen getötet. Die Zunahme der Angriffe gegen medizinische Einrichtungen, Krankenwagen, medizinisches Personal und die Patienten ist besonders besorgniserregend.
2017 hat Ärzte ohne Grenzen um die 40 Vorfälle registriert, bei denen die Sicherheit erheblich gefährdet war, insbesondere körperliche Aggressionen gegen das Pflegepersonal und die Patienten, bewaffnete Raubüberfälle und Mord in unseren Gesundheitseinrichtungen. Ärzte ohne Grenzen wurde Opfer von durchschnittlich drei Angriffen im Monat, die gegen medizinische Einrichtungen und Dienste, die Fahrzeuge und das Personal verübt wurden. Dies ist eine extreme Lage, sogar für ein Konfliktgebiet. An manchen Orten sind die Teams gezwungen, ihre Tätigkeiten zu beenden und die Bevölkerung ohne medizinische Versorgung zurückzulassen.
„Im vergangenen Jahr haben wir in der Zentralafrikanischen Republik Patienten behandelt, die angeschossen, niedergestochen, geschlagen oder in ihren Häusern lebend verbrannt oder vergewaltigt wurden“, erklärt Frédéric Lai Manantsoa, Leiter der Projekte für Ärzte ohne Grenzen in dem Land.
Das Gesundheitssystem ist nahezu vollständig zum Erliegen gekommen und die ständigen Angriffe auf medizinische Einrichtungen, Patienten und Krankenwagen verschlimmern die Situation immer mehr.
Die 2017 verübten Angriffe zeugen von einer völligen Verachtung der humanitären Grundsätze und hindern Ärzte ohne Grenzen daran, Patienten und Personal ausreichend zu schützen. Und die Aussichten für das eben begonnene Jahr lassen auf keine Verbesserung der Lage hoffen. Wenn nichts unternommen wird, um die Gewalt zurückzudrängen, wird 2018 der Bevölkerung, die keine sichere Zuflucht mehr findet, keine Hoffnung auf ein ruhigeres Leben bieten können. „Das Gesundheitssystem ist nahezu vollständig zum Erliegen gekommen und die ständigen Angriffe auf medizinische Einrichtungen, Patienten und Krankenwagen verschlimmern die Situation immer mehr“, so Frédéric Lai Manantsoa.