Notfalleinsätze 2017
2017 war vor allem von drei großen Katastrophen geprägt: die Krise um die Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch, die Cholera-Epidemie im Jemen, einem Land, das durch einen bereits 3 Jahre andauernden Krieg gezeichnet ist, sowie die Schlacht um Mossul im Irak.
Ab dem 25. August wurden die Rohingya zur Zielscheibe von Angriffen seitens der myanmarischen Armee, der Polizei und lokaler Milizen im Rakhine-Staat in Myanmar. Infolge dieser Gewalt flohen fast 693.000 Rohingya aus dem Land ins benachbarte Bangladesch. Ärzte ohne Grenzen hat seine Präsenz in der Region erheblich verstärkt, insbesondere durch größer angelegte Aktionen in den Bereichen Trinkwasserzugang, Abwasserentsorgung und medizinische Versorgung der Flüchtlinge. In diesem Kontext der stark zunehmenden Bevölkerungsdichte besteht weiterhin ein hohes Risiko für die Ausbreitung einer Epidemie.
Im Jemen haben die seit drei Jahren andauernden Kämpfe zu einer humanitären Notsituation geführt, von der 11,3 Millionen Menschen betroffen sind. Im Zeitraum von April 2017 bis Februar 2018 gab es mehr als eine Million Cholera-Verdachtsfälle. Es wurden 2.258 Todesfälle registriert. Ärzte ohne Grenzen hat mehr als 100.000 Patienten in 37 Cholera-Behandlungszentren versorgt. Kinder unter 15 Jahren machten fast 40 % der identifizierten Verdachtsfälle und etwa ein Viertel der Toten aus. Im Dezember kam es zum Ausbruch einer neuen Epidemie, wobei es sich dieses Mal um Diphtherie handelte. In diesem Land mit einem komplett zerstörten Gesundheitssystem folgt eine Epidemie auf die andere.
Von Oktober 2016 bis Juli 2017 wurde Mossul, die zweitgrößte Stadt im Irak, Schauplatz eines erbitterten Kampfes zur Rückeroberung und Befreiung der Stadt vom Islamischen Staat (IS) mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung. Zahlreiche Zivilisten in der Stadt oder auf der Flucht wurden durch Explosionen, Bombardements oder Schußwechsel getötet oder verletzt. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen arbeiteten unermüdlich und waren in Nähe der Frontlinie im Einsatz, um die traumatisierten Opfer dieser Gewalt notfallmedizinisch zu versorgen.
Darüber hinaus hat Ärzte ohne Grenzen auch in anderen Gebieten den besonders schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen Hilfe geleistet, etwa im Zusammenhang mit dem Konflikt in Nigeria, der Zunahme der Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik und den Flüchtlingsströmen im Libanon, um nur einige Beispiele zu nennen. Ärzte ohne Grenzen leistet Hilfe je nach Einschätzung des medizinischen Bedarfs der Bevölkerung und ohne Unterscheidung hinsichtlich Rasse, Religion, Geschlecht oder politischer Zugehörigkeit.
Migrationspolitik: Externalisierung der Grenzen Europas
Auch 2017 hat Ärzte ohne Grenzen weiterhin die schwerwiegenden menschlichen Folgen der europäischen Migrationspolitik angeprangert, die darauf ausgerichtet ist, durch die Externalisierung der Grenzen Europas die Flüchtlingsströme zu stoppen, ungeachtet der verheerenden Folgen für Leben und Gesundheit von Tausenden von Menschen. Besonders schockiert ist Ärzte ohne Grenzen über die Zusammenarbeit der EU mit der libyschen Küstenwache, die Hunderte von Männern, Frauen, Minderjährigen und kleinen Kindern zwingt, in die Internierungszentren zurückzukehren, in denen sie unter unmenschlichen Bedingungen leben müssen, sie jeglicher Würde beraubt werden und täglich Misshandlungen erleiden müssen (Zwangsarbeit, Entführung und Folter, sexuelle Gewalt, Erniedrigungen, Entbehrungen).
Wenn die europäischen Länder das Leiden von Tausenden von Menschen als notwendigen Preis für die Kontrolle über ihre Grenzen in Kauf nehmen, dann ist es Europa selbst, das seine eigenen Werte verrät, indem es in Lösungen investiert, die zu extremer Gewalt gegen Menschen führen, die jegliche Form von Schutz verloren haben
MSF Luxemburg
MSF Luxemburg beschäftigt heute 24 Mitarbeiter, die in der luxemburgischen Bevölkerung ein Bewusstsein für humanitäre Probleme und Herausforderungen schaffen, die notwendigen Spenden für die Finanzierung der Einsätze sammeln, Freiwillige auf ihren Einsatz vor Ort vorbereiten und bei der Durchführung von Dutzenden Studien im Bereich der operationellen Forschung Unterstützung leisten, welche von der MSF-Forschungseinheit LuxOR geleitet werden.
Auch 2017 hat die operationelle Forschungseinheit LuxOR (L'unité de recherche opérationnelle, Sitz in Luxemburg) mit ihren Forschungstätigkeiten mehr als 60 Projekte der medizinischen und humanitären Versorgung unterstützt. Die Mitglieder des LuxOR-Teams sind in 11 verschiedene Länder gereist, um vor Ort bei der Sammlung und Analyse von Daten zu helfen und auf die Epidemien von Infektionskrankheiten zu reagieren. Um die Forschungskapazitäten auszubauen, unterstützte die Einheit in Äthiopien, Indien, Kenia, Südafrika und Sri Lanka fünf Bildungsprogramme im Bereich der operationellen Forschung sowie einen speziellen Kurs zu den Themen Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Hygiene, der in Luxemburg stattfand. In Zusammenarbeit mit den Kollegen der medizinischen Abteilung in Brüssel wirkte LuxOR an der Veröffentlichung von 99 wissenschaftlichen Artikeln mit, die in renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschriften erschienen und 15 verschiedene Themenbereiche abdeckten.
Jahresbericht LuxOR (in English)
Die luxemburgische Organisation umfasst 99 Mitglieder, 57 Freiwillige, 9 Vorstandsmitglieder sowie über 25.000 aktive Spender, die es ihr ermöglichen, ihre Mission fortzusetzen.
Unterstützung durch unsere Spender
Die Großzügigkeit eines stetig wachsenden Anteils der luxemburgischen Bevölkerung macht es Ärzte ohne Grenzen möglich, die Aufgaben der Organisation wahrzunehmen. Im Jahr 2017 haben die Spender aus Luxemburg die Tätigkeiten von Ärzte ohne Grenzen mit Geldern in Höhe von insgesamt 6,5 Millionen Euro unterstützt. Wir möchten ihnen für ihre Großzügigkeit herzlich danken, denn dadurch ist es uns möglich, unsere Unabhängigkeit zu wahren und dort Hilfe zu leisten, wo sie am nötigsten gebraucht wird.
„Wir verfolgen weiterhin unermüdlich das Ziel, den Zugang zu medizinischer und humanitärer Versorgung für die Schwächsten dort weiter auszubauen, wo das Überleben der Menschen direkt von unserer humanitären Hilfe abhängt, ungeachtet der Schwierigkeiten, die sich uns in den Weg stellen. Ob gestern, heute oder morgen, wir lassen nicht die Menschen zurück, die auf medizinische und humanitäre Hilfe von Stellen bzw. Organisationen angewiesen sind, die neutral, unparteiisch und unabhängig agieren. 95 % der finanziellen Mittel für unsere Missionen stammen von privaten Spendern. Wir brauchen die konstante Unterstützung der luxemburgischen Bevölkerung“, so Dr. Guy Berchem, Präsident von MSF Luxemburg.
JAHRESBERICHT 2017 MSF LUXEMBOURG
International Activity Report 2017
Titelfoto : © Antonio Faccilongo